Als Ordnungszahlen 47 und 79 im Periodensystem
gekennzeichnet, sind Silber und Gold mehr als nur
chemische Elemente. Die Universität Hannover arbeitet an
neuartigen Oberflächen für Medizinprodukte wie
Paukenröhrchen fürs Ohr oder Blasenkatheter, die das
Infektionsrisiko in Krankenhäusern eindämmen. Spezielle
Beschichtungen setzen dazu Ionen frei, die in feuchter
Umgebung Bakterien abtöten. Nanomediziner sehen in der
entzündungshemmenden Wirkung der Edelmetalle
Potenzial, um Therapien zu entwickeln. Gegen krankhaftes
Übergewicht, Blutzucker- und Fettstoffwechselstörungen
wird dazu bereits Gold eingesetzt. Wissenschaftler vom
Georgia Institute of Technology in Atlanta (USA) arbeiten an
neuen Ansätzen in der Tumortherapie von Leukämie-
Patienten. Goldene Nanobestandteile sollen als Transport-
vehikel die Aufnahme von Arzneistoffen in die Zellen
verbessern. Edelmetalle spielen also in der modernen
Medizin eine wichtige Rolle. An der Bergischen Universität
arbeitet der Chemiker Prof. Dr. Fabian Mohr seit Jahren an
sogenannten Metall-Komplexen mit biologischer Aktivität
und kann die medizinische Wirkung von Gold und Silber
bestätigen.
Ungewöhnliche Reaktivität und neue Medikamente
Mohr, dessen wissenschaftliche Laufbahn sich in Australien,
Kanada, den USA und Spanien entwickelte, ist seit 2014
Professor für Anorganische Chemie in der Fakultät für
Mathematik und Naturwissenschaften. „Wir sind ja als
Wissenschaftler neugierige Menschen, die Systeme
verstehen wollen“, sagt er und bei Gold und Silber sei es
besonders interessant, wenn Metallatome dieser beiden
Systeme sehr nah aneinander kämen, denn dann
entstünden erstaunliche Effekte wie Lichterscheinungen
oder eine ungewöhnliche Reaktivität. „Die zweite
Forschungsrichtung ist durchaus mehr anwendungs-
orientiert. Da geht es konkret darum, neue Medikamente zu
entdecken.“ Gold und Silber würden schon lange bei
verschiedenen Krebskrankheiten angewandt und auch so
exotische Tropenkrankheiten wie Malaria ließen sich durch
ihre antibiotische Wirkung damit behandeln. Das Thema der
resistenten Bakterien, die gegen herkömmliche Antibiotika
resistent sind und die Arbeit in Krankenhäusern erschweren,
fordern den Wissenschaftler heraus. „Da ist es wichtig, neue
Strukturen, neue Strukturmotive zu entwickeln, um diese
resistenten Keime dann irgendwie töten zu können.“
Ein Buch über die wichtigsten Aspekte der Goldchemie
Vor einigen Jahren erschien das Buch „Gold Chemistry“, in
dem Mohr als Herausgeber einen umfassenden Überblick
über die wichtigsten Aspekte der Goldchemie sowie
aktuelle und zukünftige Anwendungen von
Goldverbindungen in einer Vielzahl von Bereichen
präsentiert. Ein Teil dieses Buches beschäftigt sich dabei
insbesondere mit den Anwendungsmöglichkeiten von
Goldverbindungen als potentielles Mittel gegen Arthritis,
Tumore und HI-Viren in der Medizin.
„Gold und Silber als Medikamente haben tatsächlich schon
eine sehr, sehr lange Tradition“, erklärt er. „Im alten China hat
man Goldpulver zum Wunddesinfizieren verwendet. Im
europäischen Mittelalter kam als Allheilmittel das
sogenannte Trinkgold (Aurum Potabile) auf den Markt, dass,
je nachdem wo man es erwarb, mal mehr oder auch mal gar
kein Gold enthielt.“ Gold in Form eines Medikaments gegen
Arthrose gebe es bereits seit den 70er Jahren und die
antibakterielle Wirkung von Silber sei schon den alten
Römern bekannt gewesen. Auch heute nutze man diese
Eigenschaft und verwende bei großflächigen
Verbrennungen verschiedene Silbersalze, um die Gefahr der
Infektion zu reduzieren. „Silberbrandsalbe haben viele
Menschen zu Hause im Erste-Hilfe-Kasten. Von der
Weltgesundheitsorganisation gibt es sogar eine Liste der
sogenannten Essential Medicines, in der diese
Silberverbindung, das Silbersulfadiazin, tatsächlich
aufgenommen wurde.“
Gold und Silber in kolloidaler Form
In der Medizin nutzt man häufig sogenanntes kolloides
Gold oder Silber. Dazu Mohr: „Eine kolloidale Lösung oder
ein Kolloid selber muss man sich vorstellen, als eine
Dispersion von ganz feinen Partikeln in einer Flüssigkeit.“ In
den USA wurde früher kolloidales Gold erfolgreich zur
Behandlung von Suchterkrankungen und Depressionen
eingesetzt, da es aktivierend und harmonisierend auf das
Drüsensystem und die Lebensenergie wirkt und das
Nervensystem beruhigt. Silberkolloid hingegen nutzte man
mit Erfolg zur Bekämpfung aller Arten von Erregern wie
Pilzen und Bakterien. Die Edelmetallanteile sind so fein, dass
man auch von Nanosilber oder Nanogold spricht, weil ihr
Anteil nur ein milliardstel beträgt. Die Lösungen sind meist
transparent, für das Auge also nicht wahrnehmbar.
Kolloidale sichtbare Formen gibt es aber auch, weiß der
Fachmann. „Man kennt das vielleicht aus Rubinglas zu
Hause. Rubinglas ist nämlich nichts anderes als eine
Dispersion von kolloidalem Gold, also feine Goldpartikel in
einem Glas. Das gibt eine rote Farbe. Und je nachdem wie
groß die Partikel sind, kann man dort von Hellrosa bis
Dunkellila dieses Farbspektrum erzeugen. Das ist eine ganz
charakteristische Eigenschaft von kleinen Teilchen, die
Nanometergrößenordnung haben.“
Antibakterielle Wirkung von Silber
Zwar sei die antibakterielle Wirkung von Silber schon lange
bekannt, doch Mohr weiß, dass auf diesem Gebiet immer
noch viel geforscht wird. Ein wegweisendes Beispiel könnte
in Zukunft die antibakterielle Beschichtung von
Glastouchscreens sein. „Innovative Forschungen
beschäftigten sich mit der Beschichtung durch
Silbernanoteilchen“, sagt er. „Das Glas ist dann immer noch
transparent, hat aber eine selbstdesinfizierende
Oberfläche.“ Einsatzorte dieser neuen Möglichkeiten wären
u.a. Geldautomaten, die sich durch die neue Beschichtung
immer wieder selbstdesinfizierten. Und auch in der
Werbung seien Stoffe mit Silberanteil immer wieder mal bei
Shampoos oder Bekleidung ein Thema.
Die keimtötende Wirkung des Silbers zur Konservierung des
Trinkwassers wurde auch schon zu Zeiten der alten Römer
praktiziert. „. Das Wasser, was in einem silbernen Krug
aufbewahrt wurde, war keimfreier, als Wasser, was in Blech-
oder Holzgefäßen lagerte. Und tatsächlich hat man in
Häusern von reichen Römern Silbergefäße gefunden, wo
Trinkwasser über eine trockene Zeit gelagert wurde und
dort frischer blieb.“ Doch die Anwendung dieser
Edelmetalle kann kostspielig sein. Ein Kilo Gold kostet heute
umgerechnet 48.000 Euro, Silber ist im Kilopreis von ca. 700
Euro dagegen ein glattes Schnäppchen. Auf die nutzbare
Menge gesehen, gebe es jedoch heute Alternativen, denn,
so sagt Mohr, „im Vergleich zu anderen Substanzen, die
besonders im Pflanzenschutz großflächig eingesetzt
werden, sind die Kosten einfach viel zu hoch. Da gibt es
andere Mittel, die wirtschaftlicher sind.“
Goldtherapie
In den 1930er Jahren behandelte der französische Arzt
Jacques Forestier Patienten mit rheumatoider Arthritis
erfolgreich mit Goldverbindungen. Die Goldtherapie war bis
Ende der 1980er-Jahre bei starkem Rheuma das Mittel der
Wahl. „Das ist tatsächlich eines am längsten in Benutzung
gewesenen goldbasierten Medikamente“, weiß Mohr, „vor
allem das Auranofin, was u.a. unter dem Namen Ridaura
verkauft wurde, war sehr wirksam gegen Gelenkschmerzen.“
Aber Nebenwirkungen vor allem im Magen-Darm-Bereich
bei langfristiger Einnahme führte zur Absetzung dieses
Medikamentes. „Es gibt aber wieder neue Studien, die
zeigen, dass dieselbe Substanz auch gegen das HI-Virus
aktiv ist.“ Forschungen in Brasilien, wo Aids nach wie vor
stark vertreten ist, zeigten, dass diese Goldverbindungen
helfen können. Auch Krebskrankheiten sind mit diesem
Präparat zu behandeln. „Ganz neue Studien belegen gar
eine Wirksamkeit gegen Covidviren“, und vielleicht,
mutmaßt Mohr, „wird dieses Medikament gegen eine
andere Krankheit irgendwann wieder aus der Schublade
geholt.“
Edelmetalle für die moderne Medizin
„Edelmetalle und nicht nur Gold und Silber haben eine
große Bedeutung in der Medizin“, sagt Mohr. „Platin wird
auch in der Krebstherapie eingesetzt. Ein Platinmedikament
hat viele Menschen von Krebs wirklich geheilt und da
erhoffe man sich auch in Zukunft noch weitere
Entwicklungen. Insbesondere von den Goldnanoteilchen
verspricht man sich viel. Ein zukünftiger Weg sei u.a. die
Photodynamische Therapie, ein Verfahren zur Behandlung
von Tumoren und Gewebeveränderungen in der
Kombination von Licht mit einer lichtaktivierbaren
Substanz. „Solche Goldnanoteilchen, wenn sie mit Licht
einer bestimmten Energie in Berührung kommen,
entwickeln lokale Wärme. Das möchte man ausnutzen,
indem man z.B. Krebspatienten diese nicht toxischen
goldenen Nanoteilchen verabreicht und dann gezielt durch
einen Lichtstrahl bestimmte Energie einzelner Organe oder
Organteile ansteuern kann. Dort werden die Nanoteilchen
heiß, durch die Hitze werden die Krebszellen abgetötet und
es kommt zu einem Heilungsprozess.“
Fabian Mohrs Fazit ist dementsprechend klar. „Es wird sich in
diesem Bereich sicherlich in den nächsten Jahren einiges
tun und ich denke, dass Metalle in der Medizin immer mehr
eine größere Rolle spielen werden, als sie das jetzt schon
tun.“
QUELLE
https://www.uni-wuppertal.de/de/transfer/wissenschaftskommunikation/
transfergeschichten/2021/prof-dr-fabian-mohr/
uni-wuppertal.de
veröffentlicht am 21.06.2021